Die Einkommensgrenze beim Elterngeld

Hintergrund, Fakten und Neuigkeiten

Um für das Elterngeld berechtigt zu sein, muss man verschiedene Voraussetzungen erfüllen. In diesem Artikel schenken wir der letzten Grundvoraussetzung, der Einkommensgrenze im Sinne des § 1 Abs. 8 BEEG, Aufmerksamkeit.

Voraussetzng beim Elterngeld - Einkommensgrenzen nicht überschreiten

Hier die wichtigsten Infos zum Thema:

  • Berechtigte mit „hohem Einkommen“ im Kalenderjahr vor der Geburt werden vom Elterngeld ausgeschlossen
  • Die Grenze beträgt aktuell 250.000€ für Alleinerziehend, bzw. 300.000€ für Paargemeinschaften und ist fix, d.h. beim ersten Überschreiten der Grenze entfällt der Anspruch auf Elterngeld für beide Elternteile
  • Einkommen aus der EU, dem EWR zählt dazu, anders als Einkommen aus Drittstaaten
  • Als Nachweis dient der Einkommensteuerbescheid, liegt dieser (noch) nicht vor, wird das Elterngeld ggf. nach § 8 Abs. 2 Satz 2 BEEG vorläufig festgesetzt
  • Es gibt Überlegungen, die Grenze auf 150.000€ herabzusetzen

Allgmeines zur Einkommensgrenze

Die Einkommensgrenze beim Elterngeld stellt eine starre Grenze bei der Sozialleistung Elterngeld dar, die Berechtigte von der Leistung ausschließt. Eltern von Kindern, die seit 01.09.2021 geboren wurden, dürfen im Kalenderjahr vor der Geburt kein „zu versteuerndes Einkommen“ lt. Einkommensteuerbescheid von mehr als 300.000€ (Paargemeinschaften, bei Alleinerziehenden beträgt die Grenze 250.000€).

Einkommensteuerbescheid mit zvE von 103.000€

Das „zu versteuernde Einkommen“ ist nicht zu verwechseln mit dem Bruttoarbeitslohn, dem Gesamtbetrag der Einkünfte oder anderen Einkommensgrößen. Es handelt sich um eine feste und klare Größe in der Einkommensteuerberechnung. Falls Sie sich unsicher sind, wie hoch Ihr zu versteuerndes Einkommen ist oder sein wird, wenden Sie sich am Besten an einen steuerlichen Berater.

 

Hinweis:
Es zählt das zu versteuernde Einkommen des Geburtsvorjahres, nicht das Einkommen des elterngeldrechtlichen Bemessungszeitraumes im Sinne des § 2b BEEG.

 

Beispiel:
Das Kind wird am 13. November 2023 geboren, die Mutter ist angestellt. Der Bemessungszeitraum umfasst die Monate Oktober 2022 bis September 2023. Zur Prüfung der Einkommensgrenze wird das zu versteuernde Einkommen von Januar bis Dezember 2022 herangezogen.

 

Tipp:
Kapitalerträge, die der Abgeltungsteuer im Sinne des § 32d unterlagen und demnach nicht mehr im Steuerbescheid aufgelistet werden, zählen nicht zum zu versteuerndem Einkommen dazu und bleiben bei der Einkommensgrenze entsprechend außen vor; Richtlinien 1.8 zu § 1 Abs. 8 BEEG; (anders jedoch SG München, Urteil v. 09.02.2018 – S 46 EG 87/17).

 

Senkung der Einkommensgrenze auf 150.000€

 

Sie sind betroffen? Was können Sie tun?

 

  • Prüfen Sie (ggf. gemeinsam mit dem Steuerberater),  ob Sie tatsächlich die Grenze übersteigen, die Berechnung des „zu versteuernden Einkommens“ ist komplex.
  • Schreiben Sie Ihrem Wahlkreisabgeordneten, den Mitgliedern des Bundesfamilienausschusses und der Familienministerin selbst.
  • Prüfen Sie, ob Sie Petitionen mitzeichnen möchten.
  • Erwägen Sie den Widerspruch/eine Klage, sofern Sie einen Ablehnungsbescheid erhalten. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Verfahren ruhen wird, weil Betroffene ggf. bis zum Bundesverfassungsericht ziehen werden, ist recht wahrscheinlich.

 

 

Referententwurf beschlossen und an die Ausschüsse weitergeleitet

21. September 2023

Zu später Stunde beschloss die Mehrheit des Bundestags (Ampelkoalition) den Referentenentwurf in der vorgeschlagenen Form zur Weiterleitung an die Fachausschüsse. Die Oppositionsfraktionen stimmten gemeinsam dagegen.

 

Der Änderungsantrag der Union wurde nicht beschlossen (abgelehnt).

 

Die Senkung der Einkommensgrenze wird damit de facto so kommen wie unten beschrieben. Betroffene Eltern sollten prüfen, ob sie Möglichkeiten haben, ihr zu versteuerndes Einkommen 2023 entsprechend zu senken.

Union bringt Änderungsantrag im Bundestag ein

21. September 2023

Mit Drucksache 20/8406 begehrt die Fraktion der CDU/CSU im deutschen Bundestag die Änderung des Entwurfs des Haushaltsfinanzierungsgesetzes derart, dass auf die Senkung der Einkommensgrenze verzichtet werden solle und alternativ

 

  1. keine weiteren Kürzungen am Elterngeld vorzunehmen, die junge Familien benachteiligen und Anreize zur gleichberechtigten Aufteilung von Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung zerstören;
  2. dauerhafte Einsparpotenziale im Bundeshaushalt zu identifizieren, die auf einer familienfreundlichen politischen Priorisierung beruhen.

 

Dabei berufen sich die Antragsteller auch auf das IW Köln. Diese mache auf ein weiteres Problem im Zusammenhang mit der geplanten Absenkung der Einkommensgrenze aufmerksam: bei der Einkommensverteilung der Paare mit einem zu versteuernden Einkommen von über 150.000 Euro seien es häufig die Männer, die mehr verdienen als die Frauen. Im Schnitt verdienen die Frauen 65.000 Euro, die Männer etwa 140.000 Euro im Jahr – ihr Gehalt sei mehr als doppelt so hoch.

Gerade deshalb wäre diese Absenkung beim Elterngeld so fatal. Denn es sei klar, was passieren würde: Die häufig weniger verdienenden Frauen werden vielfach die Kinderbetreuung wahrnehmen und die Männer gehen arbeiten, nicht weil diese Paare das so wollen, sondern weil sie Miete, Heizung und Lebensmittel bezahlen müssen und weil sie rechnen könnten. Die von der Bundesregierung beschlossene Streichung des Elterngelds für diese Eltern sei daher kontraproduktiv und stelle ein katastrophales Signal dar, das sich gegen Kinder, die partnerschaftliche Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie die Chancengerechtigkeit von Männern und Frauen richtet. Statt Fortschritt erlebe die Gesellschaft einen massiven Rückschritt.

 

Der Referentenentwurf des Haushaltsfinanzierungsgesetzes und der Änderungsantrag wird am Donnerstag, den 21. September 2023 um 22:45 Uhr im Bundestag beraten.

Referentenentwurf eines Haushaltsfinanzierungsgesetzes liegt vor

11. September 2023

Der Referentenentwurf liegt vor und beinhaltet die Senkung auf 150.000 EUR. Die Änderung betrifft nur Eltern von Kindern, die nach dem 31. Dezember 2023 geboren werden.

 

Durch die Absenkung der Einkommensgrenze nach § 1 Absatz 8 BEEG ergäben sich Einsparungen im Elterngeld, die sich im Jahr 2024 auf 150 Mio. Euro, im Jahr 2025 auf 400 Mio. Euro und in den anschließenden Jahren auf jährlich 500 Mio. Euro belaufen sollen. Inwieweit diese Prognosen zutreffend sind, vermögen wir nicht einzuschätzen.

Bundestag berät zum Haushalt des Bundesfamilienministeriums

05. September 2023

Das Haushaltsgesetz 2024 wird in den Bundestag eingebracht und von 12:45 Uhr bis 14:30 Uhr erfolgt die Aussprache zum Einzelplan 17 des Ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Bundeskabinett beschließt Gesetzesentwurf

16. August 2023

Das Kabinett beschloss am 16. August 2023 den Entwurf von Finanzminister Christian Lindner (FDP) für ein Haushaltsfinanzierungsgesetz. Demnach soll die Einkommensgrenze für den Anspruch auf Elterngeld auf jährlich 150.000 Euro halbiert werden. Der neue Grenzwert gelte demnach für Personen mit gemeinsamem Elterngeldanspruch ebenso wie für Alleinerziehende.

Senkung beträfe nur Eltern, deren Kinder ab 2024 geboren werden

09. Juli 2023

Das Bundesfamilienministerium bestätigt den Medien, dass Eltern, deren Kinder noch in 2023 geboren werden, nicht von der Gesetzesänderung betroffen seien, mithin für sie noch die „alte“ Einkommensgrenze von 250.000€ (Alleinerziehende), bzw. 300.000€ (Paargemeinschaften) gelte.

 

Der Verfassungsrechtler Professor Gregor Kirchhof von der Universität Augsburg hält indes Änderungen am Zeitplan für notwendig.

„Aus rechtlicher Sicht ist jedenfalls eine deutlich längere Übergangsfrist geboten“,

sagte der Experte Mitte Juli gegenüber dem Bayerischen Rundfunk.

 

Problematisch sei vor allem die Situation von Paaren, die aktuell ein Kind erwarten und von der Neuregelung ab Januar betroffen wären. Die geplante Streichung des Elterngeldes für Einkommen ab 150.000 Euro solle für Geburten ab dem 1. Januar 2024 gelten. Wer bereits Elterngeld bezieht, hätte weiterhin Anspruch – ebenso Eltern, deren Kind bis Ende des Jahres geboren werden.

 

Wer sich im Vertrauen darauf, Anspruch auf Elterngeld zu haben, für Nachwuchs entschieden hat, würde nach den aktuellen Plänen der Bundesregierung nicht mehr berechtigt sein, wenn das Kind ab Januar 2024 zur Welt kommt und die Eltern über der Einkommensgrenze liegen.

 

Betroffen könnten also auch werdende Mütter sein, die bereits im Moment der Regierungsentscheidung schwanger waren.

Prof. Kirchhof meint dazu:

 

„Eine Streichung des Elterngeldes für Partner, die aufgrund einer Schwangerschaft ein Kind erwarten, ist im Hinblick auf den Vertrauensschutz sehr problematisch. Im Verfassungsrecht gilt der Grundsatz des schonenden Übergangs. Eine komplette Elterngeld-Streichung ohne hinreichende Übergangsregeln würde dem widersprechen.“

 

Das Medienmagazin „Quer“ habe zahlreiche Gespräche mit Professorinnen und Professoren für Verfassungsrecht sowie für Steuerrecht zu den geplanten Änderungen des Elterngelds geführt. Während einzelne Experten eher keine Verletzung des Vertrauensschutzes sahen, wäre die Mehrheit der befragten Professoren der Ansicht, dass ein Scheitern des Gesetzes in seiner aktuell geplanten Form vor dem Bundesverfassungsgericht zumindest möglich sei.

 

Für den Tübinger Verfassungsrechtsexperten Prof. Christian Seiler handele es sich um eine schwierige verfassungsrechtliche Abwägung:

 

„Dem Grundsatz nach muss man als Bürger immer damit rechnen, dass die derzeit geltenden Gesetze mit Wirkung für die Zukunft geändert werden. Hat der Staat jedoch ein schutzwürdiges Vertrauen der Bürger begründet, müssen die Übergänge angemessen gestaltet werden. Ob das Bundesverfassungsgericht dies für die recht kurzfristige Änderung der Elterngeldregelung annehmen würde, lässt sich nur schwer vorhersehen.“

 

Das Bundesfamilienministerium nimmt auf den Aspekt des Vertrauensschutzes auf Anfrage des Bayerischen Rundfunk keinen Bezug. Stattdessen führte das Ministerium als Beleg für die Verfassungsmäßigkeit der kurzfristigen Elterngeldänderung einen Präzedenzfall ins Spiel.

 

„Eine Stichtagsregelung, wonach Eltern, deren Kind am oder nach einem Stichtag geboren wird, keinen Anspruch auf Elterngeld haben, ist verfassungsgemäß. Dies hat das Bundesverfassungsgericht anlässlich der Einführung des Elterngeldes entschieden (Nichtannahmebeschluss vom 20.04.2011, 1 BvR 1811/08). Seinerzeit betraf dies Eltern, die aufgrund ihres Einkommens keinen Anspruch auf das vorherige Erziehungsgeld, jedoch einen Anspruch auf Elterngeld gehabt hätten und deren Kind vor dem Stichtag zur Einführung der Elterngeldregelungen geboren waren.“

 

Experten sehen allerdings einen gravierenden Unterschied zwischen dem damaligen Fall und der heutigen Situation: Damals führte der Gesetzgeber zusätzliche Leistungen ein, heute sollen bestehende Leistungen gestrichen werden.

 

Prof. Seiler von der Universität Tübingen hält die Argumentation des Ministeriums nicht für stichhaltig:

 

„Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist nicht auf die hiesige Fragestellung übertragbar. Damals hat das Gericht zutreffend festgestellt, dass der Gleichheitssatz Stichtagsregelungen bei der Einführung einer neuen Leistung nicht entgegensteht. Heute stellt sich die Frage, ob und inwiefern die Bürger in den Fortbestand aktuell geltender Gesetze vertrauen dürfen.“

 

Auch Prof. Kirchhof weist die rechtliche Begründung des Ministeriums zurück:

 

„Verfassungsrechtlich ist zu unterscheiden, ob eine Leistung zu einem Stichtag gewährt wird oder ob sie reduziert resp. entzogen werden soll. Der Vertrauensschutz von Leistungsberechtigten auf eine bestehende Zuwendung ist deutlich höher. Das Grundgesetz drängt hier zu einem schonenden Übergang.“

 

 

Pläne wurden erstmalig bekannt

Anfang Juli 2023

Angesichts einer „angespannten“ Haushaltslage des Bundes bat Bundesfinanzminister Christian Lindner die Bundesfamilienministerin Lisa Paus Sparpotentiale in ihrem Ressort zu erörtern. Frau Paus schlug (nach eigenen Auskünften widerwillig) vor, die Einkommensgrenze beim Elterngeld auf 150.000 EUR zu senken. Der Vorschlag wurde am 05.07.2023, vor der parlamentarischen Sommerpause, im Bundeskabinett beschlossen.

 

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