Inflationsausgleichsprämie (IAP) und Elternzeit

Was Eltern jetzt wissen sollten

Die sog. Inflationsausgleichsprämie (IAP) soll Arbeitnehmer vor den Auswirkungen steigender Lebenshaltungskosten schützen. Doch wie verhält es sich, wenn diese während einer Elternzeit gezahlt werden soll? In diesem Artikel beleuchten wir, ob Eltern, die sich in Elternzeit befinden, Anspruch auf diese Prämie haben und welche rechtlichen Aspekte dabei zu beachten sind.

Daneben wird die Entscheidung des ArbG Essen vorgestellt, die den Ausschluss von Arbeitnehmern in Elternzeit bei der Zahlung eines tariflichen Inflationsausgleichs als Verstoß gegen das Willkürverbot und das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG bewertet hat (Urteil vom 16.04.2024, 3 Ca 2231/23), sowie über das hieraus gefolgte Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf (Urteil vom 14.08.2024 – 14 SLa 303/24) informiert, was leider überwiegend zu Ungunsten der Klägerin ausfiel. Revision werde jedoch vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt angestrebt.

Was ist die Inflationsausgleichsprämie?

Seit dem 26. Oktober 2022 können Arbeitgeber bis zu 3.000 Euro steuer- und abgabenfrei als Inflationsausgleichsprämie an ihre Beschäftigten zahlen. Diese freiwillige Leistung muss zusätzlich zum regulären Gehalt erfolgen und ist bis zum 31. Dezember 2024 möglich. Die Prämie kann in mehreren Teilbeträgen ausgezahlt werden und wird bei einkommensabhängigen Sozialleistungen (bspw. beim Elterngeld) nicht als Einkommen angerechnet.

Die wichtigsten Informationen zum Thema IAP und Elternzeit:

  • Freiwillige Leistung: Die Inflationsausgleichsprämie ist eine freiwillige Zahlung der Arbeitgeber und muss nicht verpflichtend an alle Arbeitnehmer, einschließlich Eltern in Elternzeit, ausgezahlt werden.
  • Steuer- und Abgabenfreiheit: Bis zu 3.000 Euro können im Zeitraum vom 26. Oktober 2022 bis zum 31. Dezember 2024 steuer- und sozialversicherungsfrei gewährt werden – auch während der Elternzeit, wenn der Arbeitgeber dies beschließt.
  • Gleichbehandlung: Eltern in Elternzeit sollten nicht ungerechtfertigt von der Prämie ausgeschlossen werden, da dies nach aktueller Rechtsprechung gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen kann.

Arbeitgeber verweigert die IAP in der Elternzeit - ist das rechtens?

Hintergrund: Die Inflationsausgleichsprämie und Elternzeit

Das Arbeitsgericht (ArbG) Essen hatte in seinem Urteil vom 16. April 2024 entschieden, dass der Ausschluss von Arbeitnehmern in Elternzeit von einer tariflichen Inflationsausgleichsprämie gegen das Grundrecht der Gleichbehandlung verstößt. Konkret ging es um einen Tarifvertrag (TV Inflationsausgleich vom 22.04.2023, den die Tarifvertragsparteien des TVöD (VKA) abgeschlossen hatten), der Arbeitnehmern während der Inflation eine Sonderzahlung als Inflationsausgleich gewährte. Arbeitnehmer in Elternzeit ohne Teilzeittätigkeit waren jedoch von dieser Zahlung ausgeschlossen.

Die Klägerin, eine Arbeitnehmerin, die sich von Sommer 2022 bis Februar 2024 in Elternzeit befand (wobei sie in der Zeit nach dem 01.12.2023 bis Februar 2024 Teilzeit in einem Umfang von 24 Wochenstunden arbeitete), klagte gegen ihren Arbeitgeber, da sie keine Inflationsausgleichsprämie erhalten hatte, obwohl sie in Teilzeit arbeitete. Das Gericht entschied zu ihren Gunsten und stellte fest, dass der Ausschluss von Arbeitnehmern in Elternzeit einen Verstoß gegen das Willkürverbot darstellt.

 

Entscheidungsgründe des Gerichts

Das Gericht stellte fest, dass der Tarifvertrag, der den Arbeitnehmern eine Inflationsausgleichsprämie gewährt, in verfassungswidriger Weise Arbeitnehmer in Elternzeit ausschließt. Das Gericht stützte seine Entscheidung auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Artikels 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), der besagt, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Ein Ausschluss von Arbeitnehmern in Elternzeit sei demnach nur zulässig, wenn ein sachlicher und vernünftiger Grund für diese Ungleichbehandlung vorliegt. In diesem Fall fand das Gericht jedoch keinen solchen Grund.

 

Ungerechtfertigte Benachteiligung von Eltern in Elternzeit

Die Klägerin argumentierte, dass sie durch den Ausschluss von der Prämie diskriminiert wurde. Da in der Praxis vor allem Mütter längere Zeit in Elternzeit verbringen, sah sie in der Regelung eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Sie wies zudem darauf hin, dass gerade Arbeitnehmer in Elternzeit ohne Lohn besonders von den gestiegenen Lebenshaltungskosten betroffen seien, die die Prämie ausgleichen sollte.

Das Gericht stimmte dieser Einschätzung zu und betonte, dass der Ausschluss von Arbeitnehmern in Elternzeit gegen das arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgebot verstoße. Es stellte fest, dass es keinen sachlichen Grund gebe, der diese Ungleichbehandlung rechtfertige. Arbeitnehmer, die Krankengeld beziehen, erhalten die Prämie, obwohl sie auch während dieser Zeit ihrer Arbeitspflicht nicht nachkommen. Dies verdeutliche, dass eine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern in Elternzeit willkürlich und ungerecht sei.

 

Tarifautonomie vs. Gleichheitsgrundsatz

Das Urteil verdeutlicht auch die Balance zwischen der Tarifautonomie, einem Grundrecht, das den Tarifvertragsparteien einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Festlegung von Regelungen gibt, und dem Gleichheitsgrundsatz. Während Tarifverträge den Parteien grundsätzlich große Freiheiten gewähren, sind sie dennoch an Grundrechte wie den Gleichheitssatz gebunden. In diesem Fall kam das Gericht zu dem Schluss, dass der Gestaltungsspielraum der Tarifparteien überschritten wurde, da die Differenzierung zwischen Arbeitnehmern in Elternzeit und anderen Arbeitnehmern sachlich nicht gerechtfertigt war.

 

Vergleichbarkeit von Arbeitnehmergruppen

Das Gericht argumentierte, dass Arbeitnehmer in Elternzeit genauso wie diejenigen, die Krankengeld beziehen, einer besonderen finanziellen Belastung ausgesetzt sind. Beide Gruppen erhalten keine reguläre Vergütung und haben stattdessen Anspruch auf Ersatzleistungen der Sozialversicherung. Obwohl die Arbeitsverhältnisse in beiden Fällen ruhen, sei dies kein ausreichender Grund, um Eltern in Elternzeit anders zu behandeln.

Das Gericht stellte auch fest, dass der Zeitraum der Elternzeit in der Regel klar definiert sei und die Rückkehr der Arbeitnehmer feststehe. Dies unterscheide sich kaum von der Unsicherheit, die mit längeren Krankheitsausfällen verbunden sein könnte. Es gebe daher keinen sachlichen Grund, Arbeitnehmer in Elternzeit von der Prämienzahlung auszuschließen.

 

Auswirkungen auf die Praxis

Dieses Urteil hat weitreichende Auswirkungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Es zeigt, dass Ausschlussklauseln in Tarifverträgen, die bestimmte Personengruppen wie Eltern in Elternzeit von freiwilligen Leistungen ausschließen, einer strengen rechtlichen Prüfung standhalten müssen. Arbeitgeber sollten darauf achten, dass solche Regelungen den Gleichheitsgrundsatz respektieren, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

Zudem unterstreicht das Urteil die Bedeutung von familienfreundlichen Regelungen in Tarifverträgen, insbesondere im öffentlichen Dienst, wo familiengerechte Lösungen oft als Vorbild für die Privatwirtschaft dienen. Familien, die häufig durch die Betreuung ihrer Kinder finanziell belastet sind, dürfen durch solche Regelungen nicht benachteiligt werden. Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheiten ist es wichtig, dass Eltern und Familien Unterstützung erhalten.

 

Weitere Themen des Urteils

Ein weiterer Aspekt des Urteils betrifft die Frage der Entschädigung für Diskriminierung aufgrund des Geschlechts nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Die Klägerin hatte argumentiert, dass sie aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt wurde, da hauptsächlich Frauen längere Zeit in Elternzeit verbringen. Das Gericht entschied jedoch, dass eine solche Entschädigung in diesem Fall nicht erforderlich sei, da die Tarifvertragsparteien keine grob fahrlässige oder vorsätzliche Diskriminierung begangen hätten.

Diese Entscheidung war umstritten, da in der Literatur nicht einheitlich beurteilt wird, ob Tarifvertragsparteien in solchen Fällen von der Haftung für Diskriminierung freigestellt sein sollten. Einige Experten argumentieren, dass die Tarifparteien in Fällen, in denen Diskriminierung offenkundig ist, haften sollten, um gleiche Rechte für Männer und Frauen im Arbeitsleben sicherzustellen.

 

Fazit

Das Urteil des ArbG Essen stellt klar, dass Arbeitnehmer in Elternzeit nicht ohne sachlichen Grund von tariflichen Leistungen wie der Inflationsausgleichsprämie ausgeschlossen werden dürfen. Der Ausschluss verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz und stellt eine ungerechtfertigte Benachteiligung von Eltern dar. Dies gilt insbesondere, da auch andere Arbeitnehmer, die zeitweise keine Arbeitsleistung erbringen, wie z. B. Krankengeldbezieher, von der Prämie profitieren.

Arbeitgeber und Tarifparteien sind daher gefordert, bei der Ausgestaltung von Regelungen zu Sonderzahlungen wie der Inflationsausgleichsprämie sorgfältig vorzugehen und sicherzustellen, dass alle Arbeitnehmergruppen gleich behandelt werden.

Anders das Landesarbeitsgericht in zweiter Instanz:

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat die Klage wiederum abgewiesen (Urteil vom 14.08.2024 – 14 SLa 303/24). Das Gericht entschied, dass der Inflationsausgleich an den Anspruch auf Entgelt gekoppelt sei und Elternzeit, mit Ausnahme von Teilzeit, keinen Entgeltanspruch begründet. Eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts wurde abgelehnt, da der Ausgleich arbeitsleistungsbezogen sei.

Die Revision wurde zugelassen und werde lt. der Klägeranwältin angestrebt.

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